1.Thess 5,21 – Prüft alles und behaltet das Gute
Prüft alles und behaltet das Gute. So lautet die Jahreslosung für 2025.
Ich frage mich: „Was muss ich denn alles im neuen Jahr unter die Lupe nehmen? Kann ich das überhaupt? Und wird es mir nicht auf einmal zu viel, weil ich nicht nur mein Auto beim TÜV, meine Gesundheit beim Ärzte-Check, meine Lebensmittel beim Einkaufen, meine Rechnungen und Kontoauszüge von der Bank, meine Gas-Strom- und Energieverträge, meinen Laptop auf Viren, meine E-Mails auf Spam, Telefonnachrichten auf Betrug, meine Glaubens-Überzeugungen, meine Denkmuster, meine politische Einstellung und noch weiteres, was mir jetzt noch nicht aufgefallen ist, prüfen muss, sondern aufgefordert bin auch die Dinge zu prüfen, die nicht in meiner Verantwortung liegen , z.B. die Qualifikation meines Arztes, die TÜV-Stelle, die Lizenzen meiner Banken und den Läden wo ich einkaufe, den Zustand der Bahn in der ich fahre, die Strahlung der Mobilfunknetze in meinem Wohngebiet und, und, und…. Allein bei dieser Auflistung bekomme ich ein mulmiges Gefühl. Ich kann doch nicht alles in der Welt prüfen, da werde ich wahnsinnig und habe dann keine Zeit mehr für die schönen und wichtigeren Dinge im Leben. Und wie ist es mit dem Vertrauen? Ich soll und muss mich doch auf gewisse Sachen in meinem Leben verlassen können.
Wozu genau will mich die Jahreslosung auffordern? Oder anders formuliert – wozu möchte mich die Jahreslosung motivieren?
Bei näherer Prüfung fühlt sich die Jahreslosung für mich etwas leichter an. Da der Jahreslosungstext im Thessalonikerbrief im Zusammenhang des Geisteswirkens in der Gemeinde steht. Wir finden dort sogar eine Mahnung an die Gemeinde, den Geist nicht auszulöschen und prophetische Äußerungen nicht zu verachten. Vielleich kennt der eine oder andere von euch ähnliche Phänomene aus charismatischen Gemeinden. Mir sind solche gut bekannt.
Im 1. Korintherbrief bekommen wir einen Eindruck davon, wie die Geisteskraft sich in unterschiedlicher Weise offenbaren kann: z. B. in der Gabe, gesund zu machen (1 Kor 12,9), der Gabe der Zungenrede, der Gabe der prophetischen Rede (1 Kor 12,10), oder in dem Bekenntnis zu Jesus Christus (1 Kor 12,1-3).
Eine Wirkung der Geisteskraft wird besonders betont, nämlich die der prophetischen Rede. Wiederum nach dem 1. Korintherbrief (1 Kor 14,3) soll sie zur Erbauung der Gemeinde sein. Paulus, Silvanus und Timotheus, die zusammen den Brief verfassten und sich um die Gemeinde kümmerten, trauten jedem Glied der Gemeinde in Thessaloniki das Potenzial zur prophetischen Rede zu haben.
Die hohe Achtung der prophetischen Rede verbinden sie jedoch mit der Mahnung, die prophetischen Äußerungen zu prüfen (1 Thess 5,21). Dabei ist im Auge zu behalten, dass die Prüfung genauso fehlgeleitet sein kann wie das Geprüfte. Und das ist das Spannendste. Die Missionare trauen der Gemeinde in Thessaloniki zu, GEMEINSAM solche Urteile zu fällen, die dann das Gemeindeleben bestimmt hatten. Und das in der Zeit der Ungewissheit, in der es noch keine Evangelien, kein Neues Testament, keine Ämter oder kirchlichen Strukturen gab. Mehr noch, da die Fragen des Umgangs mit den jüdischen Vorschriften, der Beschneidung für Nicht-Juden und das Zusammenleben der jüdischen und nicht-jüdischen Menschen in der Gemeinde noch nicht geklärt waren. Zusätzlich war die Zerstörung des Tempels (70 n. Chr.) nicht vorstell- und denkbar.
Die Missionare, meine ich, muten der Gemeinde schon Einiges zu. Und zugleich haben sie echtes Zutrauen zur Gemeinde, zu den Thessalonikern.
Paulus selbst verzichtet darauf, konkrete Vorgaben zu machen, was christlich ist, und was nicht. Die Thessaloniker dürften selbst herausfinden, an welchem Wirken des Geistes und prophetischen Äußerungen sie festhalten. Dabei sollten sie sich an „dem Guten“ orientieren. In diesem Kontext steht „das Gute“ für die Gebote Gottes, für das, was dem Willen Gottes entspricht, zunächst und zentral das Wohl des Nächsten und die Schöpfung.
Ich denke, wir als Bezirk dürfen auch in Fragen des Geisteswirken in den Gemeinden, aber nicht nur, sondern in allen weiteren Fragen, die unser gemeinsames Leben bestimmen, den Mut und die Zuversicht haben – Gott traut es uns GEMEINSAM zu.
Im Vergleich zu der Gemeinde in Thessaloniki haben wir viel mehr Orientierung und Klarheit. Wir haben ja alttestamentliche Schriften, alle Briefe des Paulus, die Evangelien. Also die ganze Bibel und noch viel mehr – Die Kirchengeschichte, die Wissenschaft, die Theologie. So lasst uns Mut haben, uns auf neue spirituelle Erfahrungen und auf die Veränderungen in unserer Evangelisch-methodistischen Kirche einzulassen, sie zu prüfen, das Gute zu behalten und darauf vertrauen, dass Gott es gut mit uns meint.
Eure Pastorin auf Probe
Aleksandra Barafanova