Adventsandacht

Ich mache mich auf den Weg in das weihnachtlich geschmückte Tübingen. Heute gönne ich mir einen entspannten Nachmittag. Weihnachtsgeschenke stehen auf meiner Liste. Es ist kalt, ich betrete die Fußgängerzone. Ein Mann mit einem Pony steht an der Ecke und schaut mich an, eine Sammelbüchse vor sich. „Die Zirkustiere haben Hunger“ steht auf dem Plakat. Ich gehe zu ihm hin. Wir plaudern und lachen. Er fragt mich, ob ich ein wenig Zeit hätte. In meinem Kopf rattert es: Für was? Ich zögere. Er erklärt mir, dass er für sein Pony Karotten kaufen möchte. Er könne es nicht alleine lassen. Mit einer großen Portion Mut willige ich ein. So stehe ich nun in der Neckargasse mit einer Sammelbüchse und einem Pony an der Leine. Mein Blick wendet sich verschämt ab, als eine Frau sich umdreht und mich anschaut. Soll ich mich den Menschen zuwenden? Ein Mann wirft eine Münze in die Büchse, ein leises „Danke“ bringe ich über die Lippen.
Plötzlich bewegt sich das Pony, es zieht in Richtung der Taschen des Mannes. Ich versuche es zurück zu halten, habe aber die Kraft des Tieres unterschätzt und lasse es gewähren. Es wühlt mit seinem Maul in den Taschen und findet: Karotten. Na sowas, hier gibt es Karotten. Ich lasse das Pony fressen, kann sowieso nichts machen.
Ich schaue die Straße hinauf, ob der Mann endlich zurückkommt. Nichts zu sehen. Das Pony genießt seine Mahlzeit. Wenn er nicht mehr zurückkommt, komme ich mit einem Pony nach Hause! Inzwischen habe ich mich mit meiner Situation abgefunden und nicke den vorbeilaufenden Menschen freundlich zu, schließlich braucht die Sammelbüchse Nahrung. Unendlich viel Zeit vergeht, gefühlt. Ich werde unruhig. Schaue immer wieder die Neckargasse hoch. Ich binde das Pony an ein Geländer und eile mit der Sammelbüchse in der Hand Richtung Markt. Von weitem sehe ich den Mann langsam die Straße entlang schlendern. Ich überfalle ihn mit der Frage:
„Wo sind Sie denn so lange?“
„Karotten kaufen.“ Er zeigt mir den Plastikbeutel.
Ich gebe ihm die Büchse. Er lächelt entspannt und glücklich und bedankt sich herzlich bei mir.
Ich tauche in die weihnachtlich geschmückte Stadt ein. Ich muss mich erst sortieren. Ein Lächeln zieht über mein Gesicht. Ich habe dem Mann einen Weihnachtsbummel ermöglicht. Ein Geschenk, das nicht auf meiner Liste stand.
Ich wünsche eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit, aller Krisen zum Trotz. Zünden wir Lichter an für die Menschen um uns her, empfangen wir selber das Licht. Alleine, oder mit vertrauten Menschen.