“Entsetzt euch nicht!”

„Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“ (Mk 16,6) So lautet der Monatsspruch für März in diesem Jahr. Und so dachte ich länger über dieses Wort und dessen Bedeutung für mich im März nach.
Wenn ich an März denke, denke ich, von meiner Prägung her, erst an den Weltfrauentag und dann an den Weltgebetstag. Beide Tage im März haben schon etwas mit Frauen zu tun.
In diesem Jahr fällt aber Ostern auf den 31. März. Aus diesem Grund wurde der Monatsspruch mit dem entsprechenden Bild im Blick auf die Auferstehung Jesu Christi ausgewählt. Die Auswahl des Bildes scheint mir wohlüberlegt zu sein.
Für mich hat dieses ausgewählte Bild im Zusammenhang mit Ostern eine besondere Bedeutung.
Wenn ich das Bild betrachte, denke ich an Cyrill von Jerusalem (+ 386). Er war Kirchenvater und Bischof von Jerusalem. Er musste sehr viel wegen seines Glaubens erleiden und er gilt als Heiliger in der katholischen Kirche. In seinem Katechismus hat Cyrill von Jerusalem Parallelen zwischen dem Baum des Lebens im Paradies und dem Kreuz Jesu gezogen und auf diese Weise das Kreuz Jesu als Holz des Lebens, also als Lebensbaum verstanden. Holz des Lebens wurde mit Jesu Kreuzigung und Auferstehung in der Erde eingepflanzt und hat auf diese Weise den Segen der Erde und unserer Welt verliehen. Der erhaltene Segen gilt auch den Toten, sie werden erlöst.
Das ist meiner Meinung nach eine mögliche Betrachtung des Kreuzes Jesu im Fokus der Auferstehung.
Beim Nachdenken über das Wort aus Mk 16,6 kam mir in den Sinn, dass dieses Wort an die Frauen, nämlich Maria Magdalena, Salome und Maria, die Mutter des Jakobus, die zum Grab Jesu gekommen waren, gerichtet ist. Die Frauen hatten eine besondere Rolle bei der Auferstehung Jesu gespielt. Sie waren die ersten, die zum Grab gegangen sind und von der Auferstehung Jesus Christus erfahren haben. Von diesen Frauen wird aber auch gesagt, dass sie bei Jesu Hinrichtung und Begräbnis dabei waren.
Das heißt: Aufgrund ihrer Zeugnisse schreiben wir in unserem christlichen Bekenntnis „er ist gestorben, begraben und auferweckt worden“.
Und ich denke, es war nur durch das Wort der Boten Gottes an die Frauen möglich, auch wenn sie zuerst sehr erschrocken waren. „Entsetzt euch nicht“, könnte auch als ‚erschreckt euch nicht‘, ‚habt keine Angst‘ übersetzt werden. Jesus geht euch voraus nach Galiläa. Dort hat alles begonnen und dort sahen Jesus nach seiner Auferstehung nicht nur seine Jünger, sondern auch die Armen, Zöllner, Bettler, Frauen und andere Menschen. Und so begegnet uns der Auferstandene in den Elenden, Armen, Hungrigen, Gefangenen, Missbrauchten und Gefolterten der Welt.
John Wesley war überzeugt, dass die Heiligung der Welt unser Ziel ist. Dieses Ziel ist zu erreichen durch die Verkündigung des Evangeliums, die Gemeinschaft der Christen und das Zeugnis ihres Lebens im Umgang miteinander und mit ihren Mitmenschen. Dadurch soll das Christentum sich auf die ganze Erde verbreiten und durchsetzen. Wenn das geschieht, dann werden Kriege, Hass, Armut aufhören und die Liebe und die Gerechtigkeit werden die Welt regieren. Diese Überzeugung hat ihm geholfen die Gesellschaft in England stark zu Gutem zu verändern.
Und so, denke ich, sollten wir uns nicht entsetzen, keine Angst haben, das Evangelium zu verkündigen und uns zugleich für die Gerechtigkeit in unserem Umfeld und unserer Welt einzusetzen.
Im Blick auf das Kreuz als Lebensbaum kann ich die Ausbreitung des Reiches Gottes da sehen, wo die Hungernden nicht mehr hungern müssen, wo die Unterdrückten nicht mehr Unterdrücken erleben, wo versklavte Menschen Befreiung finden, wo die benachteiligten Menschen, insbesondere Frauen das bekommen, was ihnen zusteht, und von struktureller Gewalt befreit werden. Das macht für mich mehr als je zuvor den Sinn des 8. März, Internationaler Frauentag. Die Bedeutung dieses Tages ist, meiner Wahrnehmung nach, fast in Vergessenheit geraten. Ohne diesen Tag aber und ohne den Kampf der Frauen, der gar nicht so lange zurückliegt, hätten wir heute die Rechte nicht, die in der heutigen europäischen Gesellschaft uns mittlerweile als selbstverständlich erscheinen. Ohne die methodistischen Frauen, die um die Ordination lange gerungen und sich in der Kirche durchgesetzt haben, dürfte ich heute diese Andacht nicht schreiben, nicht in der Kirche predigen, das Evangelium verkündigen und Pastorin werden.
Das Kreuz Christi, das Kreuz Jesu als Baum des Lebens bedeutet für mich auch einen anderen Zustand der Welt. Einen Zustand, bei dem nicht mehr Krieg, sondern Frieden herrscht, wo „Gerechtigkeit und Frieden sich küssen“ wie es im Psalm 85, der für die Liturgie des Weltgebetstages ausgesucht wurde, heißt. Das Leben ist nur dann möglich, wenn Frieden zwischen den Völkern herrscht. Wenn nicht mehr getötet wird, missbraucht wird, wenn die Waffen schweigen, wo Miteinander ermöglicht und Vertrauen zwischen den Völkern wieder aufgebaut wird.
Darauf hoffe ich und dafür bete ich. Und so können wir Frauen, Männer, Kinder und Jugendlichen in den Gottesdiensten zum Weltgebetstag dieses Jahr am 1. März gemeinsam rund um den Globus für den Frieden in Israel und Palästina, in der Ukraine und in Russland und weltweit beten. Denn das ist unsere Auferstehungshoffnung für unsere Welt.

Aleksandra Barafanova